Sanathana Sarathi 07/2022

Bhagavans Botschaft an Gurupurnima

Gott ist der Guru, er ist unmittelbar in eurem Herzen, bereit, zu führen und zu erleuchten. Er ist allwissend, allmächtig, alldurchdringend. Vertreibt die dunklen Wolken der Unwissenheit und des Egoismus, die das Gesicht der Sonne verbergen, die am Himmel eures Herzens scheint. Eure Eltern mögen euch verstoßen, eure Verwandten euch verlassen, eure Freunde euch aufgeben und eure geschätzten Besitztümer verloren gehen. Aber Gott wird immer nahe und lieb sein, immer bereit mit Rat und Ermutigung“, sagte Bhagavan in seiner Ansprache an Gurupurnima im Juli 1974.

Reinigt euren Geist mit Liebe

Von den vielen Millionen Lebewesen besitzt nur der Mensch das Privileg und die Berechtigung, die Wahrheit des Universums zu erforschen und in die Glückseligkeit ihrer Erkenntnis einzugehen.

Aber der Mensch verliert sich im Verfolgen falscher Ziele; er kämpft im Nebel des Zweifels und der spaltenden Loyalitäten. Er vergeudet seine Energie und Zeit mit Aktivitäten, die ihn noch weiter in das Netz materieller Bedürfnisse verwickeln. Diese Art der Aktivität, die Mohakarman genannt wird, entsteht aus Verblendung und führt zu weiterer Verblendung. Der Mensch muss diese Neigung überwinden und sich Dharmakarman zuwenden, dem moralischen Handeln, der idealistischen Aktivität, die niedrigere Instinkte und Impulse sublimiert und jede Tat in einen Akt der Hingabe verwandelt. Wenn diese Einstellung sich durchsetzt und behauptet, wird alles Handeln zu Brahmakarman, zu göttlicher Aktivität. Der Mensch verschmilzt mit dem Universalen und verliert seine begrenzende Individualität. Das ist die Aktivität, nach der der Atman sich sehnt und an der er sich erfreut.

Schon im ersten Stadium der bindenden Aktivität (mohakarman) sollte der Mensch versuchen, sie mit göttlicher Liebe (prema) zu füllen. Prema wird den Kurs des Handelns unmerklich in Richtung Dharma korrigieren und systematisch zu weiteren Stadien des menschlichen Fortschritts hin zur Göttlichkeit führen. Was ist göttliche Liebe, Prema, denn genau? Sie kann nicht verdient oder erworben werden; der Mensch ist von Natur aus mit ihr versehen. Sie kann nicht verweigert oder aus dem Gemüt (mind) entfernt werden. Sie kann nicht gelehrt oder erlernt werden. Wenn Liebe auf sinnliche Objekte gerichtet wird kann das durchaus zum Ruin führen; wenn die Liebe von diesen Dingen weggelenkt wird, kann sie die Erlösung gewährleisten.

Die Sehnsucht, Erhabenheit zu erreichen, ist Prema

Prema oder Liebe ist ein Wort, das oft missbraucht wird. Jede positive Reaktion auf Anziehung wird Liebe genannt; jedes Gefühl der Bindung, wie trivial oder vergänglich es auch sein mag, wird als Liebe bezeichnet. Wir müssen sicherlich neue Worte prägen oder spezifische Worte bereit haben, um die verschiedenen Formen der Liebe zu kennzeichnen. Die Bindung der Eltern an ihre Kinder oder der Kinder an ihre Eltern sollte man Zuneigung nennen. Die Reaktion auf sexuelle Anziehung kann im besten Fall als Laune, Faszination oder Illusion (moha) bezeichnet werden. Das Gefühl der Freundschaft oder Kameradschaft ruft Herzlichkeit hervor. Die Freude, die man aus Besitzdenken erhält, vor allem aus dem Besitz materieller Dinge, kann Zufriedenheit betrachtet werden. Die Sehnsucht, die Erhabenheit zu erreichen, die der Wahrheit innewohnt, verdient es, mit dem heiligen Wort Prema bezeichnet zu werden. Sie ist der lieblichste, bezauberndste Besitz des Menschen und schenkt die größte Zufriedenheit.

Liebe, Prema, ist stark und beständig genug um alle Hindernisse zu überwinden, allen Wechselfällen des Schicksals mit Gleichmut zu begegnen und alle Versuche der Verzögerung oder Abweichung abzuwehren. Liebe beurteilt nicht einen Vorfall als gut und einen anderen als schlecht und schiebt sie nicht verschiedenen Instanzen in die Schuhe. So wie dieselbe Sonne Tag und Nacht verursacht, so bewirkt derselbe göttliche Wille Freude und Leid. Deshalb schreckt der Devotee nicht zurück, wenn es ihm schlecht geht und jubelt nicht, wenn es ihm gut geht.

Der Fehler liegt in der Faszination des Menschen für das „Viele“ statt für das „Eine“; er folgt der Vielfalt und vergisst die Einheit im Universum. Wahrhaft gesprochen sind die „Vielen“ nur verschiedene Vehikel, die dem Einen Ausdruck geben. Nehmt den elektrischen Strom als Beispiel. Wenn der Ventilator sich dreht sagen wir, dass der elektrische Strom fließt. Wenn er aufhört sich zu drehen merken wir, dass die Elektrizität nicht mehr fließt. Wenn die Glühbirne leuchtet nehmen wir den Strom wahr, und wenn sie ausgeschaltet ist bemerken wir seine Abwesenheit. Der elektrische Strom selbst ist unsichtbar; er ist formlos (nirākāra); er aktiviert verschiedene Dinge und deshalb nehmen wir ihn wahr. Ebenso ist auch das Göttliche in allen Dingen und hinter aller Aktivität. Um das Göttliche zu verstehen brauchen wir Instrumente, Vehikel, begrenzte Zusätze (upādhi).

Reinigt die Augen von dem Katarakt der Unwissenheit

Die Augen sehen, aber kann das Organ Auge von alleine sehen? Ohne den Antrieb des göttlichen Atmans innen kann es nicht funktionieren. Das Gehirn denkt; aber können die Zellen den Vorgang selber herbeiführen? Nein, sie müssen durch das Göttliche im Inneren aktiviert werden. Der Eine ist die Basis, die Ursache der Manifestation in den Vielen. Allein durch Liebe, Prema, kann der innewohnende immanente Eine erkannt werden. Denn das Göttliche ist, mehr als alles andere, Liebe. Das gesamte Universum wird von Gott durchdrungen. Alles ist eins. Das Eine erscheint dem befangenen Auge als Viele. Reinigt das Auge von dem Katarakt der Unwissenheit, und es wird alles als Eines erkennen. Tatsächlich seht ihr mit euren Augen überall nur euch selbst. An wen auch immer euer Wort gerichtet ist, ihr sprecht nur mit euch selbst. Ihr erfreut euch an euch selbst, ihr hasst euch selbst, ihr verletzt euch selbst. Es gibt niemand anderen!

Sogar wenn das Göttliche als Avatar herabkommt, ist der Mensch unfähig den Schleier zu durchtrennen und das Göttliche zu verehren. Krishna der Herr sagt, die Leute seien unfähig das Göttliche, das er ist, zu erkennen, weil sie ihn für einen bloßen Sterblichen halten. Nur jene die sich des inneren Stromes, des Atmans, bewusst sind, können die Quelle der Kraft vor ihnen erkennen.

Entzündet das Licht der Liebe im Inneren

Drei Disziplinen sind notwendig, um sich der Göttlichkeit in allem und im Avatar bewusst zu werden. Keine Aktivität sollte mit Blick auf individuelle Selbsterhöhung unternommen werden. Intellekt und Gefühl müssen auf die Offenbarung des Bewohners des Herzens, den Atman, ausgerichtet werden; jede Handlung sollte aufrichtig und mit Liebe durchgeführt werden, ohne das Verlangen nach persönlichem Profit, Ruhm oder Eigennutz. Vor allem: Hört auf die Stimme Gottes im Inneren.  Sobald man eine falsche Handlung plant, warnt diese Stimme, protestiert und rät dazu, sie aufzugeben. Sie malt einem die Beschämung aus, die man zu erleiden hat, die Bestrafung die man auf sich nehmen muss und die Schmach, die das mit sich bringt. Es erscheint, als befänden sich zwei Persönlichkeiten in einem: eine, die zur Tat antreibt, und eine andere, die sie verhindern will. Das warnende Signal und der Rat werden von dem Geist der Rechtschaffenheit (jangam) gegeben, der im Körper (angam) ist. Er erinnert euch an die Absurdität und die Gefahr, die in der Identifizierung des eigenen Selbst mit dem Körper liegt, er ermutigt euch zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Es ist Gott, der in jedem Herzen als die höchste Weisheit thront, als das Bewusstsein (prajnāna), der ewige Zeuge, mit dem ihr in den Tiefen der Meditation leicht in Kontakt treten könnt.

Tatsächlich werdet ihr, wenn ihr euren Geist untersucht, entdecken, dass sich dort nicht nur einsondern viele „Ratgeber“ mit ihren Widersprüchen tummeln und Verwirrung erzeugen. Wenn ihr zum Beispiel vorhabt nach Puttaparthi zu kommen, um Swamis Darshan zu haben, werden im gleichem Moment diese Ratgeber ihr Spiel beginnen. Eine Stimme gibt euch den Rat erst dann aufzubrechen, wenn ihr sichergestellt habt, dass Swami auch tatsächlich dort ist. Eine andere Stimme schlägt vor, soundso anzurufen um herauszufinden ob Swami in Bangalore oder in Puttaparthi ist. Eine dritte Stimme zeigt euch alternative Routen und Transportmöglichkeiten auf und bereitet euch jede Menge Kopfschmerzen. Das ist die Gruppe (sangam) um den inneren Ratgeber (jangam), die Gruppe von Stimmen, die den Geist der Rechtschaffenheit umschwärmen und versuchen ihn abzulenken.

Eine andere Stimme könnte, wenn die anderen fertig sind, sagen: „Nun, mein Lieber, betrachte diesen Wunsch von dir von allen Seiten. Du reist dorthin und setzt dich dabei jeder Menge Ausgaben und Schwierigkeiten aus. Bedenke auch, es ist nicht sicher, dass Swami dir ein Interview gewährt.“ Eine weitere Stimme könnte sich jetzt einmischen und sagen: „Oh, wenn du an all die Vergehen und Fehler denkst die du begangen hast, ist es sehr fraglich, ob Swami dir ein Interview geben wird.“ In Antwort auf diese Stimme wird eine andere Stimme sich der Argumentation anschließen und dir Zuversicht  und Trost geben mit den Worten: „Nein, Swami ist die Verkörperung des Mitgefühls selbst. Er wird dir sicherlich all deine Fehler vergeben.“ Dieses Prinzip, das euch auf dem spirituellen Pfad führt und schützt, ist das Lingam (Symbol des Formlosen), das im Zentrum der Gruppe (sangam) ist die sich um den inneren Ratgeber schart.

Das Lingam ist im innersten Kern des Herzens des Menschen, als der einzige Spender von Glückseligkeit, Kraft und Erleuchtung. Kultiviert die innere Schau, so dass das Lingam euch diese drei gewähren wird. Dann wird der Geist (mind) mit dem kühlen tröstlichen Licht der Liebe und Weisheit erleuchtet werden. Aus diesem Grund gilt der Mond als die über Geist und Gemüt herrschende Gottheit (candramā manaso jataha – der Mond ging aus dem Geist hervor). Deshalb wird der Tag der Dankbarkeit gegenüber allen Gurus und dem ersten Guru, Veda Vyasa, an einem Vollmondtag begangen.

Ehe ihr nicht euren Geist mit Liebe reinigt kann der Vollmond der spirituellen Weisheit darin nicht scheinen. Das Rezitieren des Namens, das Einhalten von Gelübden und Nachtwachen, das Durchführen von Fastenzeiten und Festen mögen alle am inneren Himmel des Geistes funkeln, gleich Sternen die den Himmel zieren; aber die Dunkelheit wird nicht verschwinden, ehe nicht das Licht der Liebe entzündet ist.

Gott allein ist der wahre Guru

Dieser Tag ist für die Verehrung des Gurus reserviert. Wer ist der Guru? Wie kann jemand, der das Ziel nicht erreicht hat, euch dorthin führen? Wenn derjenige selber in der Dunkelheit umhertappt, wie kann er dann euren Pfad erleuchten? Die meisten Gurus geben vor zu führen, sind sich aber selber des Weges nicht ganz sicher oder nicht völlig von der Korrektheit ihres Pfades überzeugt. Gu bedeutet Dunkelheit oder Unwissenheit; ru bedeutet sie zu entfernen. Also muss der Guru den Vorgang kennen, durch den die Unwissenheit im anderen beseitigt werden kann. Wie kann er das vollbringen, wenn er es für sich selbst nicht erreicht hat? Der Blinde kann nicht den Blinden führen.

Der Begriff Guru hat noch eine weitere Bedeutung. Gu bedeutet gunātīta (jenseits der drei Grundeigenschaften aus denen der Kosmos besteht) und ru bedeutet rūparahita (ohne eine spezifische Form). Nun, derzeit hat kein Sterblicher die Grundeigenschaften und die Form transzendiert. Nur von Gott kann gesagt werden, er sei unbeeinflusst von ihnen. Und Gott ist der Guru, er ist unmittelbar in eurem Herzen, bereit, zu führen und zu erleuchten. Er ist allwissend, allmächtig, alldurchdringend. Vertreibt die dunklen Wolken der Unwissenheit und des Egoismus, die das Gesicht der Sonne verbergen, die am Himmel eures Herzens scheint. Eure Eltern mögen euch verstoßen, eure Verwandten euch verlassen, eure Freunde euch aufgeben und eure geschätzten Besitztümer verloren gehen. Aber Gott wird immer nahe und lieb sein, immer bereit mit Rat und Ermutigung. Die Leute werden sich um euch scharen solange ihr Reichtum und Macht habt; aber wenn ihr diese verliert, werdet ihr völlig alleingelassen werden. Solche Leute sind wie ein Schwarm Frösche, die einen Teich voller Wasser heimsuchen und Schmeicheleien krächzen, aber verschwinden sobald der Teich trocken ist.

Die Verehrung des Gurus kann an allen Tagen des Jahres vollzogen werden

Ihr eilt für die Feier des Gurupurnimafestes hierher, aber es ist nicht nötig auf dieses jährliche Fest zu warten, um den Guru zu verehren. Die Leute verbringen diesen Tag mit der Verehrung des Gurus und suchen seine Anweisungen – aber das kann an allen Tagen des Jahres geschehen! Einen speziellen Tag zu wählen spricht von Oberflächlichkeit und Zurschaustellung. Ich will euch von dieser Einstellung abbringen. Ich will, dass ihr nicht diese äußerlichen Zeremonien und Festtage kultiviert, sondern das innere Sadhana, die Innenschau, die spirituelle Sehnsucht.

Ich behaupte nicht, ich wäre ein Guru oder würde euch als meine Schüler betrachten. Da ich alles bin das ist – wer kann dann gesondert als Guru und wer als Schüler eingeordnet werden? Die Nichterkenntnis des Einen führt euch zu dieser Aufspaltung. Die Erkenntnis der Wahrheit wird diese Unterscheidung beenden. Niemand braucht zu lehren, niemand braucht zu lernen. Alle sind grundsätzlich Bewusstsein (cit). Das ist die Realität.

Es gibt vier Stufen, um sich die Gnade Gottes zu sichern, und zwar durch folgende Methoden: 1. den Geist an Gott heften; 2. die Form Gottes lieben, an die der Geist sich gebunden hat; 3. diese Form im Herzen installieren und 4.; alles was man hat und tut dieser Form weihen.

Im Mahabharata gibt es ein großartiges Beispiel von jemandem, der erfolgreich diese Stadien durchlaufen hat und das Ziel des Lebens verwirklicht hat, und zwar Ekalavya. Obwohl Dronacarya sich weigerte, ihn als seinen Schüler anzunehmen, band Ekalavya sich geistig an ihn und betrachtete ihn als seinen Guru; er verankerte ihn in seinem Herzen und brachte schließlich alle Fähigkeiten und den Ruhm, die er durch die Gnade Dronacaryas gewonnen hatte, dessen Füßen dar.

Der Lehrer – das ist eine passendere Anrede – sollte sich nicht überlegen und der Schüler sich nicht unterlegen fühlen. Beide sind in Wirklichkeit der Atman. Es gibt kein hoch und kein niedrig. Alle sind Wellen im Ozean der Glückseligkeit. Wenn euer Körper gesund, anmutig und völlig zufrieden ist, seht, wie glücklich ihr dann seid! Wisst jetzt, dass ihr wahrhaft gesprochen selbst die Körper aller Lebewesen seid! Und wenn all diese anderen Körper glücklich, gesund, stark und ganz sind, rechnet euch jetzt aus, wie viel Glückseligkeit ihr in eurem Herzen genießen könnt! Die Schau der kosmischen Gestalt (virat) wird jenen gewährt, die ihr Ego übergeben haben und Zuflucht beim Herrn suchen (wie Arjuna es tat) und die achtsam und in Stille die Gita, die der Herr gesungen hat, in sich aufnehmen. Gott ist allgegenwärtig; er ist der innere Motivator eines jeden Teilchens im Universum. Zu behaupten, er wäre nur durch euren Stil der Verehrung zu erreichen und würde nur auf den Namen reagieren, den ihr zu gebrauchen gelernt habt, hieße seine Allwissenheit und seine Herrlichkeit zu beleidigen. Seht ihn in allen, dient ihm in allen. Verehrt ihn in allen. Betet: „Lasst die gesamte Welt gedeihen; lasst die gesamte Menschheit glücklich sein.“ Das ist die besondere Botschaft, die ich euch an diesem Tag gebe.

– Aus Bhagavans Ansprachen an Gurupurnima im Juli 1974 und 1975.

Quelle: Sanathana Sarathi July 2022

© Sri Sathya Sai Sadhana Trust Sadhana Trust – Publications Division, Prasanthi Nilayam

Hört auf die Stimme Gottes im Inneren