Sanathana Sarathi 07/2022

Der weise Vyasa fuhr fort: „Höre, oh König! Krishnas Gnade, der den Segen unendlicher Kleiderfalten zum Schutz ihrer Ehre gewährte, erstaunte und überwältigte Draupadi. Sie vergoss Tränen der Dankbarkeit und rief ekstatisch: ‚Krishna! Krishna!‘, mit soviel Gefühl und Hingabe, dass die Anwesenden in der Audienzhalle vor Ehrfurcht erstarrten. Das Strahlen ihres Gesichts ließ alle vermuten, dass sie die wahre Shakti (Göttin) sei, die das Universum mit Energie versorgt.

Währenddessen manifestierte sich Krishna in konkreter Gestalt vor deiner Großmutter Draupadi und sagte: ‚Schwester! Warum bist du beunruhigt? Ich bin mit dem ausdrücklichen Ziel geboren worden, diese bösen, vom Stolz verblendeten Menschen zu vernichten. Ich werde dafür sorgen, dass der Ruhm und die Ehre der Pandavas erhalten bleiben und diese Welt sie auch in kommenden Generationen bewundern wird. Tröste dich.‘

Daraufhin fiel sie dem Herrn zu Füßen und wusch diese mit ihren Tränen, die von ihrem Augenwasser schwarz waren. Die Strähnen ihres langen, dichten Haares, das böse Hände gelöst hatten, fielen über seine Füße und bedeckten sie, und sie wälzte sich auf dem Boden um seine Füße.

Ihre wütende Zufriedenheit und ihre zornige Erregung versetzten die Versammlung der Höflinge und Krieger in Erstaunen. Krishna richtete sie auf und legte segnend seine Hand auf ihr Haupt. ‚Erhebe dich! Binde das Haar zu einem Knoten. Warte geduldig die Ereignisse ab, die in den kommenden Tagen geschehen werden. Geh zu deinen Gefährten in die inneren Gemächer‘, forderte er sie auf. Als Draupadi diese Worte hörte, schreckte sie auf wie eine Kobra, die ihre Haube erhebt. Ihre Augen leuchteten durch den Haarschleier, der ihr Gesicht bedeckte. Ihre Blicke waren wie Wetterleuchten hinter den Wolken.

Sie stand in der Mitte der Versammlung, wandte sich an Krishna und sagte in bedächtigem Ton: ‚Krishna, ein zerrissenes Tuch muss genäht werden, anders lassen sich die Risse nicht flicken. Eine tugendhafte Braut kann nur einmal weggegeben werden. Geronnene Milch kann nicht in ihre ursprüngliche Reinheit zurückversetzt werden. Die Stoßzähne des Elefanten können nie wieder in das Maul zurückgezogen werden, aus dem sie wuchsen. Draupadis Zöpfe wurden von den schmutzigen Händen dieser bösen Männer gelöst. Sie können nie wieder wie früher geflochten werden, um das Glück einer Ehefrau zu symbolisieren.‘ Daraufhin schwiegen alle mit gesenktem Kopf, überwältigt von der Scham über die Schmach der Königin.

Doch Krishna brach das Schweigen. ‚Wann wirst du dann dein Haar wie früher flechten, Schwester? Diese losen Strähnen machen dich wirklich furchterregend.‘ Daraufhin brüllte die heldenhafte Königin wie eine Löwin: ‚Herr, hör mir zu! Der dreckige Schurke, der es gewagt hat, dieses Haar anzufassen, es in seiner schmutzigen Hand zu halten und mich in diese Halle zu zerren, dem soll der Kopf zertrümmert und sein Leichnam von Füchsen und Hunden zernagt werden. Seine Frau soll zur Witwe werden. Sie soll ihr Haar lösen und in unstillbarem Kummer weinen. An dem Tag, an dem dies geschieht, werde ich dieses Haar zu einem Knoten binden, erst dann.‘ Als die Ältesten im Saal diese Verwünschung hörten, erschraken sie über die schrecklichen Folgen. Sie hielten sich die Ohren zu, um nicht mehr zu hören. Sie flehten: ‚Verzeihung‘, ‚Frieden‘, ‚Sei still‘, denn sie wussten, wie unheilvoll der Fluch einer tugendhaften Frau war. Das Herz von Dhritarashtra, dem alten blinden Vater der bösen Bande, die sie beleidigt hatte, zersprang fast vor Angst. Seine Söhne versuchten, mutige Mienen aufzusetzen, aber in ihrem Innern wütete ein Orkan der Panik. Eine Welle der Furcht erfüllte die Versammlung, denn sie wussten, dass ihre Worte wahr werden mussten, dass das Unrecht durch die von ihr ausgesprochene Strafe gerächt werden musste.

Um diese Befürchtung zu verstärken, sagte auch Krishna: ‚Oh, Draupadi! Möge es geschehen, wie du gesagt hast. Ich werde diese bösen Männer vernichten, die deinen Gatten so viel Kummer bereitet haben. Die Worte, die du jetzt gesprochen hast, müssen wahr werden, denn seit deiner Geburt hast du deine Zunge nie mit Falschheit befleckt, nicht einmal im Spaß. Deine Stimme ist die Stimme der Wahrheit. Die Wahrheit wird siegen, trotz allem.‘

Diese Zusicherung gab der Herr deiner Großmutter. Die Kauravas wurden vernichtet und die Rechtschaffenheit der Pandavas wurde vor der Welt verteidigt. Wo Dharma ist, da ist der Herr; wo der Herr ist, da ist der Sieg. Diesen heiligen Grundsatz lehrte der Herr die Welt durch diese Tragödie.

Hast du verstanden? Wie großartig müssen deine Großväter gewesen sein, dass sie diese fortwährende Gnade von Krishna verdient haben! Ihr Festhalten am Dharma und ihre unerschütterliche Treue zur Wahrheit haben ihnen diese Gnade eingebracht. Man mag kostspielige und aufwendige Yajnas und Yagas durchführen, aber wenn man sich an den Pfad von Satya und Dharma hält, kann man den Ozean des Wandels und des Leids überqueren und das Ufer der Befreiung erreichen. Oder wie hätten deine Großväter gerettet werden können, als der furchteinflößende Weise Durvasa in den Wald ging, um sie gemäß Duryodhanas Plan zu Asche zu verbrennen? Der arme Durvasa musste lernen, dass die Gnade Gottes wirksamer ist als das Ergebnis jahrelanger Askese und Verzichts. Er, der ausgesandt wurde, um zu zerstören, ging mit tiefer Bewunderung für die ihm zugedachten Opfer von dannen.“

Als Vyasa so stolz von der Hingabe der Pandavas an den Herrn erzählte, hob Parikshit verwundert den Kopf und fragte: „Was habt ihrgesagt? Hat Durvasa eine Niederlage durch die Hand meiner Großväter erlitten? Ah, wie glücklich bin ich doch, dass ich in einer Dynastie geboren wurde, die sich sogar diesem großen Weisen als überlegen erwiesen hat! Sagt mir, Meister, wie ist das passiert? Warum ist Durvasa zu ihnen gegangen und was war das Ergebnis?“

„Höre, oh Maharaja“, fuhr Vyasa fort, „deine Großväter, die in den Dschungel verbannt waren, konnten dort ihre Tage glücklich verbringen, und ihre berühmte Gastfreundschaft blieb durch Krishnas Gnade ungetrübt. Sie hatten das Gefühl, dass der Dschungel mehr mit Freude erfüllt war als Hastinapur, aus dem sie verbannt worden waren. Die Herzen der Großen sind so voller göttlicher Zufriedenheit und Gelassenheit, dass sie vom Auf und Ab des Schicksals nicht berührt werden. Eine duftende Blume wird einen mit ihrem betörenden Duft erfreuen, ob man sie in der linken oder in der rechten Hand hält. So werden auch die Großen, ob im Himmel oder im Wald, im Dorf oder in der Stadt, auf den Höhen oder im Tal, gleichermaßen glücklich sein. Sie kennen keine Veränderung, wie deine Großväter in ihrem Leben bewiesen haben.

Wenn die Guten glücklich sind und in Frieden leben, können die Schlechten das nicht ertragen; sie bekommen starke Kopfschmerzen. Die Bösen müssen sich an dem Verlust und den Mühen, die die Guten erleiden, weiden, um glücklich zu sein! Der Verlust, den die Guten erleiden, ist der Gewinn der bösen Geister. Der liebliche Ruf des Kuckucks ist bitter für das Ohr der Krähe. In ähnlicher Weise bereitete das unverdorbene glückliche Leben der Pandavas den Kauravas in der Hauptstadt Elend und Schmerz.

Aber was konnten sie noch tun? Sie hatten alle möglichen Leiden und Beschimpfungen auf sie gehäuft. Schließlich vertrieben sie sie aus dem Königreich selbst und schickten sie mit leerem Magen in den Wald.

Mit leerem Magen! Ja. So stellten sich die Kauravas das vor. Aber die Wahrheit sah anders aus. Denn ihr Körper war satt und erfüllt von Krishna, dem Herrn. Gegen solch gottgefüllte Körper zu kämpfen, bedeutet nur, sich auf einen hoffnungslosen Kampf einzulassen. Deshalb nahmen die Kauravas ihnen alle materiellen Besitztümer ab und schickten die Körper sicher aus dem Königreich. Nach dem Würfelspiel wurden den Pandavas alle Güter und Besitztümer genommen. Die Kauravas taten ihr Bestes, um Zwietracht unter den Pandava-Brüdern zu säen und verbreiteten abscheuliche Geschichten über den einen oder anderen. Aber die Pandavas respektierten die Wahrheit und hielten sich an die Wahrheit, so dass nichts sie trennen konnte. Die Tatsache, dass nichts dem Glück der Pandavas etwas anhaben konnte, verzehrte die Kauravas wie ein Waldbrand.

Während des Exils der Pandavas kam der Weise Durvasa, der die Inkarnation des Zorns war, mit zehntausend Schülern nach Hastinapur, um die viermonatige Klausur in der königlichen Stadt zu verbringen. Die Kauravas kannten die asketischen Kräfte Durvasas sehr gut, ebenso wie seine Schwächen und Launen. Deshalb luden sie ihn in den Palast ein und überschütteten ihn und seine Anhänger während seines viermonatigen Aufenthalts mit großzügigen Gesten der Gastfreundschaft. Sie planten, diesen Weisen für ihre bösen Machenschaften zu benutzen, und so erfüllten sie mit außerordentlichem Eifer einen jeden seiner Wünsche und auch die seines großen Gefolges. Sie sorgten dafür, dass Durvasa keinen Grund hatte, enttäuscht, niedergeschlagen oder unzufrieden zu sein. Vier Monate lang dienten sie ihm mit fanatischem Eifer. Wenn der Weise einen seiner Wutanfälle bekam, ließen sie den Kopf hängen und ertrugen mit gefalteten Händen das ganze Feuer, das sich auf sie ergoß. So gelang es ihnen, den heiligen Besucher zu besänftigen und für sich zu gewinnen.

Eines Tages, als Durvasa nach einer köstlichen Mahlzeit ruhte, näherte sich Duryodhana seinem Bett und setzte sich ehrfürchtig daneben. Der Weise sprach zu ihm: ‚Oh König, deine Dienste haben mich sehr erfreut. Bitte mich um irgendeinen Segen, gleichgültig wie wertvoll oder wie schwer er sein mag, ich werde ihn gewähren.‘ Duryodhana hatte sich den Segen, den er von Durvasa wollte, schon überlegt und war froh, dass die Zeit zum Bitten gekommen war. Er zeigte große Demut, als er um seine Erfüllung bat. ‚’Meister! Dass Ihr Euch über unsere Dienste freut, ist so wertvoll wie eine Million Segnungen. Dieser Ausdruck der Wertschätzung ist für mich genug. Was brauche ich an Reichtum oder Ruhm? Selbst wenn ich die Herrschaft über die drei Welten erhalten würde, könnte ich keine Freude an dieser Autorität finden. Ich betrauere, dass meine Brüder, die Pandavas, nicht bei mir waren, als ich Euch vier Monate lang dienen konnte. Lasst auch sie Verdienste erwerben, indem sie Euch dienen. Das ist mein Wunsch. Bitte sucht auch sie mit all Euren Schülern auf und gebt auch ihnen diese Gelegenheit. Mein älterer Bruder Dharmaraja ist ein so treuer Anhänger des Dharma, dass er trotz unserer Proteste und Gebete lieber in den Wald ging, als sein Wort zu brechen. Ich habe gehört, dass er selbst dort Millionen von Gästen und Besuchern aufs großartigste bewirtet. Er kann Euch dort mit noch köstlicheren Gastmahlen und üppigeren Festen erfreuen. Wenn Ihr die Absicht habt, mir Eure Gnade zu erweisen, möchte ich Euch nur um einen Gefallen bitten: Wenn Ihr zu den Pandavas geht, geht, nachdem Draupadi ihre Mahlzeit gegessen hat!‘ Mit diesen Worten fiel Duryodhana Durvasa zu Füßen, um ihn noch geneigter zu stimmen. Der Weise verstand seine List und brach in Gelächter aus.“

Quelle: Sanathana Sarathi July 2022

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Bhagavatha Vahini, Kapitel 16 – Krishna gewährt Draupadi seine Gnade