Sanathana Sarathi 11/2021

Bhima sagte: „Als Krishna an Dhritharashtras Hof von Duryodhana, Duhshasana und anderen gefragt wurde, warum er sich in die Familienstreitigkeiten der Kauravas und Pandavas einmischte und einen Teil mehr begünstigte, als ob die Pandavas näher mit ihm verwandt wären als die Kauravas, was antwortete da der Herr? Erinnert euch jetzt an diese Antwort. Stellt euch diese Szene bildlich vor. Wie ein Löwenjunges schritt er auf und ab und brüllte: ‚Was hast du gesagt? Sind die Kauravas mir so nahe wie die Pandavas? Nein, sie können niemals auf der gleichen Ebene sein. Hört zu, ich werde euch erzählen, welche Verwandtschaft mich mit den Pandavas verbindet: Für diesen meinen Körper ist Dharmaraja wie das Haupt, Arjuna gleicht den Schultern und Armen, Bhima ist der Leib und Nakula und Sahadeva sind wie die beiden Füße. Für den Körper, der so zusammengesetzt ist, ist Krishna das Herz. Die Gliedmaßen bewegen sich durch die Kraft des Herzens; ohne sie sind sie leblos.’

Was bedeutet diese Erklärung für uns? Sie bedeutet, dass wir Pandavas leblos sind, weil das Herz nicht mehr aktiv ist. Wir werden uns auflösen müssen. Der Herr, der die Verkörperung der Zeit ist, strebt danach, uns mit sich selbst zu verschmelzen. Wir müssen bereit sein, seinem Ruf zu folgen.

Dies ist Beweis genug, dass das Kali-Zeitalter begonnen hat. An dem Tag, an dem Krishna diese Welt verließ, schlossen sich die Tore des Dvapara-Zeitalters und die Tore des Kaliyuga öffneten sich. Wie sonst könnten diese bösen Kräfte und üblen Geister ungehindert umherstreifen? Ist es denkbar, dass Arjuna, der niemals die rituellen Formeln für den göttlichen Pfeil vergisst, der von seinem Bogen abgeschossen wird, selbst wenn die Schlacht am wildesten und heftigsten tobt – ist es denkbar, dass er sie in der größten Not des barbarischen Überfalls auf diesen Konvoi von Frauen und Kindern vergisst? Gewiss hat der Geist des Kali-Zeitalters dieses schreckliche Unglück verursacht.“

Nun meldete sich auch Nakula zu Wort: „Brüder, der Himmel im Osten zeigt, dass die Morgendämmerung naht. Wir sollten die Königinnen und unsere verehrte Mutter über diese Entwicklungen informieren und ohne Verzug über den nächsten Schritt entscheiden. Der Körper löst sich nicht sofort auf, wenn der Atem ihn verlässt, richtig? Natürlich ist das Leben aus uns gewichen, als Krishna uns verließ, aber die Gliedmaßen sind noch eine Weile warm. Auch wir müssen heute oder morgen zu Krishna gehen. Lasst uns keine Zeit mit Kummer und Sorgen vergeuden, sondern stattdessen an den Weg denken, den wir als Nächstes beschreiten müssen, und uns auf diese Reise vorbereiten.“ Alle stimmten diesem Vorschlag zu, der so voller weiser Gelassenheit war.

Trotz ihrer Sorge darüber, wie sich die Nachricht auf Draupadi, Subhadra und die alte Mutter auswirken würde, beschlossen sie, die Nachricht zu überbringen. Denn wenn der Herr selbst gegangen ist, warum sollte sich jemand Sorgen darüber machen, was mit einem anderen geschehen könnte? Die Brüder beschlossen, dass Dharmaraja, der Älteste, zu seiner Mutter gehen sollte. Das war der richtige Weg, dachten sie.

In der Freude vergeht die Zeit schneller als in der Trauer. Wenn Menschen sich freuen, vergeht die Zeit schnell; wenn sie voll Trauer sind, vergeht sie langsam. Trauer ist schwer wie ein Gebirge, sie ist wie die letzte Flut. Obwohl Dharmarajas Hauptstadt Indraprastha war, befand sich der Thron der Ahnen immer noch in Hastinapura. Dieser Ort hatte allen anderen Glanz verloren, als die Mahabharatha-Schlacht die Prinzen der königlichen Linie und alle hochrangigen Nachkommen dahinraffte. Deshalb verbrachte Dharmaraja einige Monate in Indraprastha und den restlichen Teil des Jahres in Hastinapura. Arjuna war sich dessen nicht bewusst und hatte sich nach Indraprastha begeben. Da er Dharmaraja nicht antraf, ließ er die wenigen Frauen von Dvaraka, die er vor den wilden Horden hatte retten können, dort und ging allein nach Hastinapura. Ein einsamer Yadava, ein Enkel Krishnas namens Vajra, der einzige Überlebende der männlichen Bevölkerung Dvarakas, begleitete ihn. Der arme Vajra wollte sich niemandem zeigen, denn er schämte sich so sehr, dass er überlebt hatte. Er war so unglücklich über den Tod aller anderen, dass er sich in ein dunkles Zimmer verkroch, missmutig, düster und allein.

Die Königinmutter, Kunti Devi, erfuhr von einem Dienstmädchen, dass Arjuna angekommen war. Sie wachte die ganze Nacht und erwartete, dass Arjuna zu ihr eilen und ihr die Neuigkeiten aus Dvaraka mitteilen würde. Sie ließ die Lampen brennen und weigerte sich, schlafen zu gehen. Wann immer das leiseste Geräusch von Schritten an ihre Ohren drang, stand sie voller Freude auf, dass Arjuna gekommen war, und sagte: „Oh Sohn! Ich bin froh, dass du gekommen bist. Was gibt es Neues?“ Als niemand antwortete, rief sie ihre Dienerin und fragte: „Was ist denn los? Hattest du mir nicht gesagt, dass Arjuna aus Dvaraka angekommen ist? Warum ist er noch nicht zu mir gekommen? Du musst dich geirrt haben; du musst jemand anderen gesehen und ihn mit Arjuna verwechselt haben. Wenn er gekommen wäre, wäre er sicherlich sofort zu mir gekommen.“ So verbrachte Kunti eine schlaflose Nacht zwischen Erwartung und Enttäuschung.

Der Tag brach an. Jeder ging seinen Pflichten nach. Kunti beschäftigten in der Zwischenzeit viele Fragen. Warum war Arjuna nicht zu ihr gekommen? War er wirklich zurückgekehrt? Hatte ihn ein dringendes politisches Problem davon abgehalten, das unter den Brüdern bis in die Nacht hinein besprochen werden musste? Oder war er so müde von der Reise, dass er beschloss, seine Mutter nicht mehr in der Nacht, sondern am nächsten Tag aufzusuchen? Oder hatte sich in Dvaraka eine Krise entwickelt, derentwegen Arjuna auf Krishnas Anweisung hin dringend Dharmaraja konsultieren und ihm seine Reaktion und Lösung überbringen musste? Hatte er in all diesen Wirren seine Pflichten gegenüber seiner Mutter vergessen? Natürlich würde er kommen, wenn der Tag angebrochen ist, sagte sie sich schließlich.

Also stand sie auf, obwohl noch Dunkelheit die Erde einhüllte. Sie badete, zog sich neue Kleider an und machte sich bereit, um ihren Sohn zu empfangen. In diesem Moment tauchte ein weiterer Zweifel in ihrem Geist auf, der sie beunruhigte. Jede Nacht kamen alle ihre Söhne, einer nach dem anderen zu ihr und fielen ihr zu Füßen, baten um ihren Segen und die Erlaubnis, zu Bett gehen zu dürfen. Sie fragte sich, warum in dieser Nacht nicht ein einziger gekommen war. Das vergrößerte ihre Angst. Sie schickte Dienerinnen zu Draupadis und Subhadras Gemächern und stellte fest, dass keiner der Brüder auch nur zu Abend gegessen hatte! Kuntis Angst wurde immer größer.

Als sie sich so quälte, kam eine alte Dienerin herein und teilte ihr mit, dass Dharmaraja, in Begleitung von Arjuna, zu ihr kommen würde. Kunti schwankte zwischen der Angst vor dem, was man ihr sagen würde, der Freude darüber, dass sie Arjuna nach langer Abwesenheit wiedersehen würde, und der Neugier, die Neuigkeiten über die Yadavas zu erfahren. Ein Gefühl erwartungsvoller Spannung war die Folge. Sie zitterte, weil sie ihre Unruhe nicht unterdrücken konnte.

Dharmaraja kam herein, fiel ihr zu Füßen und blieb stumm. Arjuna konnte sich lange Zeit nicht von ihren Füßen erheben. Es war Kunti, die Worte des Trostes an ihn richtete. „Du Armer! Wie hast du es geschafft, so lange von mir fern zu bleiben?“ Sie streichelte ihn liebevoll, aber noch bevor sie Segensworte sprach oder sich nach seiner Gesundheit und seinem Wohlergehen erkundigte, fragte sie: „Arjuna! Ich habe gehört, dass du letzte Nacht angekommen bist, ist das wahr? Warum bist du nicht während der Nacht zu mir gekommen? Wie kann eine Mutter, die weiß, dass ihr Sohn nach langer Abwesenheit zurückgekehrt ist, in Ruhe schlafen, ohne ihn zu gesehen zu haben? Nun, ich bin froh, dass du wenigstens jetzt, bei Tagesanbruch, gekommen bist. Berichte mir alles. Sind dein Schwiegervater, deine Schwiegermutter und dein Großvater wohlauf? Mein Bruder, Vasudeva, ist jetzt sehr alt; wie geht es ihm? Kann er noch umhergehen? Oder ist er bettlägerig wie ich? Wird er gepflegt, so wie ich, und ist er in allem auf andere angewiesen?“ Sie hielt Arjunas Hände fest und schaute ihn aufmerksam an. Plötzlich fragte sie: “Was sehe ich da, mein Sohn? Wie kommt es, dass du so dunkel geworden bist? Warum sind deine Augen so gerötet und geschwollen?

Ich verstehe! Dvaraka ist weit weg, und die lange Reise durch den Urwald war sehr beschwerlich. Staub und Sonne haben dir zugesetzt, die Erschöpfung des Weges ist dir ins Gesicht geschrieben. Lass es gut sein. Sage mir, was mein Shyamasundara, mein Krishna dich gebeten hat, mir mitzuteilen. Wann wird er hierher kommen? Oder hat er kein Verlangen, mich zu sehen? Hat er etwas gesagt? Natürlich, er ist Vasudeva. Er kann alles sehen, wo immer er ist. Wann werde ich ihn wiedersehen? Wird diese reife Frucht am Baum bleiben, bis er kommt?“

Sie stellte viele Fragen und beantwortete sie selbst. Sie gab weder Arjuna noch Dharmaraja die Gelegenheit zu sagen, was sie sagen wollten. Tränen flossen ungehindert aus Arjunas Augen. Kunti beobachtete dieses seltsame Verhalten. Sie zog Arjuna näher zu sich heran und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. „Sohn, Arjuna, was ist geschehen? Sag es mir. Ich habe noch nie Tränen in deinen Augen gesehen. Hat Gopala an dir etwas auszusetzen und dich weggeschickt, weil du für seine Gesellschaft untauglich bist? Ist dir ein solch schreckliches Unglück widerfahren?“ Der Kummer überwältigte sie, aber sie versuchte ihr Bestes, ihren Sohn zu trösten.

Da verbarg auch Dharmaraja sein Gesicht in den Händen und stöhnte unter Schluchzen: „Mutter! Du sprichst immer noch von unserem Vasudeva? Es ist schon seit zehn Tagen nicht mehr bei uns. Er ist in seine Heimat zurückgekehrt. Alle Yadavas sind gestorben.“ Noch während er sprach, riss Kunti ihre Augen weit auf und fragte: „Was? Mein Gopala … mein Nandananda … der Schatz meines Herzens … hat er die Erde verwaisen lassen? O Krishna … Krishna …“, und als wolle sie ihn suchen, entschlief sie in diesem Augenblick.

Quelle: Sanathana Sarathi November 2021

© Sri Sathya Sai Sadhana Trust Sadhana Trust – Publications Division, Prasanthi Nilayam

Bhagavatha Vahini, Kapitel 12 – Das Kali-Zeitalter bricht an