Sanathana Sarathi 7/2021. Brahmananda Panda
Im Jahr 1976 fiel Gurupurnima auf den 11. Juli. Ich kam am Nachmittag des 10. in Prasanthi Nilayam an. Um 17 Uhr leitete Dr. Bhagavantam eine Zusammenkunft der Landesvorsitzenden der Sai-Organisation und der Mitglieder des Central Trust. Die Planungen bezüglich der Ausweitung von Seva-Aktivitäten wurden abgeschlossen. Während unsere Diskussionen noch anhielten, kam Baba herein und segnete uns. Am nächsten Tag weihte Baba die Easwaramma High School sowie Sai Nagarein und eine Wohnkolonie für Harijans, die mit Babas Segen vom Central Trust erbaut worden war. Baba teilte mit eigenen Händen an jede Familie Kleidung und einige Artikel des Grundbedarfs aus. Am 12. erlaubte Baba mir Padanamaskar zu nehmen und am 13. materialisierte er auf der Veranda der Bhajanhalle Vibhuti für mich. Er rief mich für ein paar Minuten herein und fragte mich: „Wann reist du ab?“ „Herr, wann immer du erlaubst.“ „Komm, lass uns nach Brindavan fahren. Von da aus fährst du nach Delhi zurück. Morgen früh fahre ich los, und du folgst mir.“ „Ja, Herr“, sagte ich mit wild pochendem Herzen, nahm Padanamaskar und ging hinaus.
Um 21.30 Uhr kam Kutumba Rao zu mir und sagte, ich würde mit Baba zusammen nach Brindavan fahren. Ich solle mich mit Kleidung für drei Tage bereithalten und zur Zeit des Suprabhatam vor dem Mandir stehen. Ich geriet in einen Zustand unbeschreiblicher Freude und Aufregung. In der vergangenen Nacht hatte ich kein Auge zugetan, weil mein Blutdruck sehr hoch war. Falls mich der Schlaf diese Nacht überwältigte und ich nicht um drei Uhr aufstünde, würde ich nicht rechtzeitig fertig werden. Babas Wagen würde nicht einmal eine Sekunde lang auf mich warten! Wem konnte ich vertrauen, dass er mich um drei Uhr morgens aufwecken würde? Was wäre, wenn sich diese Person selbst um 3 Uhr im Tiefschlaf befände? Ich kam zu dem Entschluss: Die vergangene Nacht konnte ich nicht schlafen, und diese Nacht würde ich mich auch wach halten, indem ich den Gang auf und ab ginge. Falls ich mich aufs Bett legen würde, wäre das Risiko einfach zu groß. Als in der Bhajanhalle mit dem „Om“ begonnen wurde, war ich schon gewaschen und stand mit einer kleinen Tasche vor dem Tempel. Im Kopf fühlte ich mich ganz frisch, aber meine Augen brannten als ob jemand Chilipulver hineingestreut hätte. In der kühlen Morgenluft hatte ich das Gefühl, wenn ich mich jetzt irgendwo hinlegte, würde ich wie tot einschlafen.
Am Ende des Omkar kam Baba heraus und stand eine oder zwei Minuten lang im schwachen Schein der Lampen auf der Veranda. In dieser morgendlichen Stille und dem Dämmerlicht war sein Anblick wirklich himmlisch. Ich betete still.
Baba saß auf der Rückbank. Neben ihm saß ich und neben mir Bhagavantam. Auf dem Beifahrersitz saß Chakravarthi, der oberste Verwaltungsbeamte (collector) von Anantapur. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Wenn in diesem Augenblick der Gott des Schlafs gekommen wäre und hätte mir allen Reichtum des Himmels angeboten – ich hätte ohne nachzudenken „nein“ gesagt. Der Eine, um dessentwillen der Mensch Leben um Leben in Bußübungen verbringt, saß neben mir! Je ängstlicher ich mich davor hütete, ihn zu berühren, umso näher kam er mir! Unter dem Vorwand, Bhagavantam etwas erzählen zu wollen, beugte er sich manchmal so dicht über mich, dass mein Gesicht vollständig von seinem Haar bedeckt war. Dieser Körper war so zart und weich und duftete so wunderbar, dass selbst Rosenblütenblätter vor Neid erblasst wären. In meiner Jugend hatte ich etliche französische Parfüms benutzt, aber der Duft dieses Körpers kann nur mit einem Wort beschrieben werden: Seligkeit.
Etwa um 7 Uhr verließ unser Wagen die Hauptstraße und hielt in einer Lichtung des Waldes an, durch den wir gefahren waren. Der Wagen, der uns folgte, hielt ebenfalls an. Mir fiel ein, dass Baba mir im Interview des Vortags gesagt hatte, ich solle ihm in jenem Wagen folgen. Aus diesem Wagen holten sie das Frühstück: Puri, Idli, Vada, Curry und Chutney sowie Kaffee in einer großen Thermoskanne. Baba aß nur ein wenig und ließ uns essen, bis unsere Mägen vollgefüllt waren. Während der Fahrt hatte er sowohl von spirituellen wie auch weltlichen Dingen gesprochen. Hin und wieder hatte er uns mit seinem unvergleichlichen Humor zum Lachen gebracht. Wenn man mich bitten würde, ein Fazit zu ziehen, und alles was er sagte, in einem oder zwei Sätzen zusammenzufassen, was äußerst schwierig wäre, würde ich sagen: „Er sagte, allein unerschütterlicher Glaube an Gott schenkt dem Menschen Frieden und Seligkeit, und jemand, der wirklich arm, hilflos und verlassen ist (dīna) empfängt die Gnade Gottes.“ Um acht Uhr kamen wir in Brindavan an. Baba ging nach oben und wir anderen blieben unten. Die Studenten von Babas College kümmerten sich um das Wohl der Gäste. Als ich aus dem Bad herauskam, erwartete mich einer der Jungen mit einer Tasse Kaffee. Er sagte: „Sie müssen sehr müde sein. Ich habe Ihr Bett hergerichtet, Sie können sich ausruhen.“ Um die Wahrheit zu sagen: Zu der Stunde hatte ich größte Mühe, die Augen offen zu halten. Sobald ich mich auf das Bett legte, war ich auch schon eingeschlafen. Als zum Mittagessen gerufen wurde, schlief ich tief und fest. Baba sagte: „Er hat zwei Nächte nicht geschlafen. Weckt ihn nicht auf. Lasst ihn schlafen.“ Ich stand um 16 Uhr auf, und da kam auch schon der Ruf zum Kaffee. Ich ging hinauf. Er fragte mich: „Wie steht’s? Ausgeschlafen?“
„Herr, solch tiefen Schlaf habe ich viele Tage lang nicht mehr gekannt.“ Baba sagte: „In der einen Nacht hat dich dein Blutdruck vom Schlafen abgehalten, in der nächsten die bevorstehende Autofahrt mit mir. Darum habe ich dich zum Mittagessen nicht wecken lassen.“ Nach Kaffee und Gebäck ging ich hinunter. Am selben Abend weihte Baba das neue Wohnheim für die Studenten ein. Wir alle aßen dort mit ihm zusammen zu Abend.
Noch bevor ich am frühen Morgen des 15. Juli aufgestanden war, kam einer der Jungen mit Kaffee. Es war noch nicht sechs Uhr. Ich beeilte mich mit Waschen und Anziehen und trank dann den Kaffee. Gegen acht Uhr wurde zum Frühstück gerufen. Die Studenten bedienten. Baba aß wahrscheinlich nur ein Idli und ein Vada. Bhagavantam hielt sich zurück, aber Chakravarthi, Swami Karunyananda und ich machten vor nichts halt! Baba saß neben uns, pries die kulinarischen Fähigkeiten des Kochs und forderte uns auf, noch mehr zu essen. Was für eine mütterliche Zuneigung! Wenn ich mich an den Geschmack dieses Sambar und des Chutney erinnere, läuft mir noch heute das Wasser im Munde zusammen. Nach neun Uhr ging er hinaus, um den Devotees, die in der Bhajanhalle saßen, Darshan zu geben. Wir folgten ihm in einiger Entfernung. Er rief ein paar Leute zum Interview, nahm Arati entgegen und kam zurück. Für mich gab es nichts zu tun, darum lief ich eine Weile umher und ging dann hinein. Um ein Uhr gab es Mittagessen. Baba saß an einem gesonderten Tisch und wir an einem anderen. Vom Reis, Curry und allem anderen zusammengenommen nahm er insgesamt vielleicht drei Esslöffel zu sich. Dann kam er zu uns herüber und nötigte uns wie eine Mutter, immer noch mehr zu essen. Mich wies er auf den Curry hin und sagte: „Iss dies, die Rajmata hat es geschickt.“ Dabei hatte ich von dem Curry bereits zum zweiten Mal genommen!
Das Mittagessen war beendet. Bhagavan entnahm seiner Dose einen Pan (Betelbissen) und reichte ihn mir. Ich berührte damit meine Stirn und kaute ihn. „Das ist vielleicht nicht das, was du sonst kaust!“ sagte er.
Am 17. sagte Baba uns nach dem Frühstück, wir sollten uns nach dem Mittagessen zur Abfahrt bereithalten. Einige Studenten flehten ihn an, doch wenigstens diesen Tag noch zu bleiben. Baba erklärte ihnen, dass es in Prasanthi Nilayam sehr viel für ihn zu tun gebe. Nach dem Mittagessen sagte Baba: „Wir werden ein Gruppenfoto machen. Wenn ihr sehr nah bei mir steht und mich berührt, wird das Foto sehr schön werden.“ Nach der Fotoaufnahme ging ich hinunter. Gegen zwei Uhr nachmittags fuhren wir von Brindavan ab. Auf der Rückbank saßen zwei Jungen, jeder an einer Tür, zwischen ihnen Baba und ich. Chakravarthi saß vorne neben dem Fahrer. Die Straße war auf beiden Seiten flankiert von Jungen, denen Tränen in den Augen standen. Wie innig war diese Beziehung und wie herzzerreißend dieser Abschied! Nachdem wir eine halbe Stunde gefahren waren, bat Baba uns Bhajans zu singen. Einer der Jungen sang einen sehr zu Herzen gehenden Bhajan. Dann fragte Baba mich: „Singst du Bhajans?“ Ich antwortete: „Nicht regelmäßig, aber wenn ich von dir spreche und mich inspiriert fühle, sprudelt der eine oder andere Bhajan aus mir hervor.“ Ich sang den Bhajan „Chal Re Man …“ Nach der ersten Zeile fiel Baba ein: „Sai Shankar Narayan, bolo Sai Shankar Narayan …“ Ich sang und wiegte mich auf meinem Sitz.
Nach dem Singen öffnete er verschiedene Tüten, kramte Orangen, Bananen und Süßigkeiten, Vada und würzige Mischungen hervor und reichte sie an uns weiter. Während er uns so bediente, fielen ein paar Krümel auf sein Gewand. Ich zog mein Taschentuch heraus und fegte die Krümel weg. Als ich aß, fielen ein paar Krümel auf meine Kurta. Da nahm Swami sein Taschentuch und wischte sie weg. Ich war in meiner himmlischen Seligkeit so aufgegangen, dass ich ganz vergessen hatte, dass ich neben Gott saß. Wir waren sozusagen zwei Freunde, zwei Körper mit einem einzigen Herzen. Als wir gegessen hatten, reichte er mir seine Pan-Dose. Ich zögerte und sagte: „Mach du es bitte für mich!“ „Nein, mach es selbst, ich habe nicht deinen Kautabak, aber es wird dir schmecken.“ Ich nahm die Dose aus seiner Hand und sagte: „Herr, was auch immer du mit deinen Händen gibst ist Amrit (Nektar der Götter).“
Der Grund, warum ich dies alles schreibe ist der, dass ich dem Leser von der endlosen Tiefgründigkeit der göttlichen Spiele des Avatars erzählen möchte. Wenn das Namenlose und Formlose einen Namen und eine Form annimmt und zu uns herabkommt, betritt er die menschliche Ebene auf eine Art, dass die Süße seiner vertraulichen, innigen Liebe im Herzen des Menschen einen unstillbaren Durst hervorruft. Der Herr der übersinnlichen Süße (rasa) füllt das sehnende Herz (rasika) mit unvergleichlicher Süße. Er sorgt für alles, was der Devotee braucht, schenkt ihm die seltene und kostbare Freude des persönlichen Kontakts und lässt ihn so allmählich wunschlos werden. Wenn er dem Devotee nahe kommt, ist er nicht mehr der Herrscher von Kailash oder Vaikuntha oder Parabrahman. Er ist dessen Eigen, seine Mutter, sein Vater, sein Freund, sein Gefährte.
Auszug aus „Raso Vai Sah“ von Brahmananda Panda
Quelle: Sanathana Sarathi Juli 2021
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