Sanathana Sarathi 2/2022

„Ein Begriff, der in der Meditation (dhyāna) eingesetzt wird, ist ūrdhvadrishti, die nach oben gerichtete Schau. Er bezeichnet eine Übung, bei der beide Augen gemeinsam nach oben, auf einen Punkt zwischen den Augenbrauen, gerichtet werden. Urdhva bedeutet aufwärts und drishti bedeutet Sicht; demzufolge ist unter dem Begriff nicht eine physische Übung zu verstehen, sondern ein allgemeines vollzeitiges Bemühen des Geistes, niedrigere Wünsche zu vermeiden und sich zu höheren Werten zu erheben. So eine Bemühung wird einem den göttlichen Nektar, Amrit, gewinnen, der aus der Quelle des Herzens fließen wird!“ sagte Bhagavan in seiner Ansprache am 11. Januar 1968.

Ein tiefer Glaube bringt einem Gottes Gnade ein

Heute ist ein doppelt gesegneter Tag, denn es ist ein Donnerstag, Guruvar genannt (der Tag des Gurus, der einen zur Befreiung führt); es ist auch der Tag, an dem vor vielen Jahrhunderten Krishna Arjuna die Bhagavadgita lehrte – der Tag, an dem der Mensch von Gott den Schlüssel erhielt für seinen Fortschritt von Falschheit und Täuschung in das Licht seiner eigenen inneren Wirklichkeit. Arjuna wurde angewiesen, an der Schlacht teilzunehmen, seinen Anteil am Königreich zurückzugewinnen und zu gewährleisten, dass das Volk eine rechtschaffene Verwaltung und eine Atmosphäre erhalte, in der es erfolgreich nach der Befreiung streben kann. Das alles hatte er in einem Geist der Hingabe und Ergebung an Gottes Willen zu tun, unabhängig von seinen eigenen Vorlieben und Abneigungen und ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, die sich aus seinem selbstlosen Handeln ergeben könnten. Deshalb gibt die Gita uns den Rat, dass Dienst an der Gemeinschaft (sangha) der höchste Dienst (Seva) und ebenso die segensreichste spirituelle Disziplin ist. Ihr könnt von dieser Verpflichtung nicht wegrennen; ihr müsst die menschliche Gemeinschaft, in die ihr geboren seid, nutzen, um euren Egoismus zu läutern und euch selbst zu retten. Wenn Dienst am Nächsten als spirituelle Disziplin aufgenommen wird, dann lehrt das einen Gleichmut und Toleranz (sahana). Sogar Avatare (göttliche Inkarnationen) demonstrieren in ihrem Leben die höchste Bedeutung des selbstlosen Dienens (Seva). Als Dharmaraja die große Königsweihe (rājasūya yāga) durchführte, nahm Krishna an der Opferhandlung teil und bat darum, dass auch ihm ein Dienst zugeteilt werde. Er bevorzugte den Dienst, die Blätter zu entfernen, auf denen den Tausenden, die täglich gespeist wurden, das Essen serviert wurde. Weil Dienst am Nächsten ihm so lieb war, wurde er als der Königsmacher des Zeitalters und Gesetzgeber für alle verehrt.

Richtet eure Sicht nach oben, um niedrigere Wünsche zu vermeiden

Weil heute Vaikuntha Ekādashī ist sehnen sich viele von euch danach, von mir den göttlichen Nektar, Amrit, zu erhalten. Aber welchen Nutzen hat es, bloß ein paar Tropfen Nektar, von mir erschaffen, zu schlucken? Dann, wenn die Eigenschaft der Reinheit und Ausgeglichenheit (sattva) die Oberhand gewinnt und die Eigenschaften der Leidenschaft (rajas) und Trägheit und Unwissenheit (tamas) bezwingt in den Kämpfen, die in jedem Herz stattfinden, steigt Nektar im Herzen empor. Der Nektar, der die Unsterblichkeit verleiht, ist der Nektar, den man durch die eigene spirituelle Disziplin gewinnt. Ein Begriff, der in der Meditation (dhyāna) eingesetzt wird, ist ūrdhvadrishti, die nach oben gerichtete Schau. Es bezeichnet eine Übung, bei der beide Augen gemeinsam nach oben, auf einen Punkt zwischen den Augenbrauen, gerichtet werden. Urdhva bedeutet aufwärts und drishti bedeutet Sicht; demzufolge ist unter dem Begriff nicht eine physische Übung zu verstehen, sondern ein allgemeines ständiges Bemühen des Geistes, niedrigere Wünsche zu vermeiden und sich zu höheren Werten zu erheben. So eine Bemühung wird einem den göttlichen Nektar, Amrit, gewinnen, der aus der Quelle des Herzens fließt!

Amrit bedeutet unsterblich; daraus ist nicht zu schließen, dass derjenige, der Nektar zu sich nimmt, ewig leben wird. Sogar die Avatare legen, wenn ihre Aufgabe vollendet ist, ihren Körper ab. Es bedeutet, den Geist auf die Wirklichkeit zu fixieren; sich der unzerstörbaren Wesenheit bewusst zu werden, die man selber ist, und das eigene Bewusstsein darin eingehen zu lassen. Schaut euch die Dämonen (rākshasa) an. Ravana und Kumbhakarna führten jahrtausendelang extreme asketische Praktiken durch. Gott manifestierte sich vor ihnen und gewährte ihnen die Segensgaben, um die sie baten. Aber weil ihre Askese in ihnen nicht Reinheit und Lauterkeit, Tugend und Demut hervorrief, machten sie weiter wie zuvor, Monster der Gewalt und Bosheit. In ihrer Beschaffenheit fand sich keine Spur Reinheit. Sie hatten Gottes Gnade in so großem Ausmaß, aber sie verhielten sich sogar noch schlimmer als zuvor. Durch ihre Lebensweise leugneten und verwirkten sie die Gnade, die sie gewonnen hatten.

Meidet das Böse und seid im Glauben verankert

So hat man, auch wenn man Amrit erhält, diesem Status gemäß zu leben – dem Status, Gottes Gnade erhalten zu haben. Vasishtha beauftrage den Kaiser Raghu, seine himmlische wunscherfüllende Kuh Kāmadhenu zu hüten. Da diese Anweisung von seinem spirituellen Lehrer selbst kam, nahm Raghu diese Aufgabe persönlich wahr und führte die Kuh auf die Weiden. Als eines Tages ein Löwe drohte, über Kāmadhenu herzufallen und darauf bestand, sie müsse ihm, da er hungrig sei, als Nahrung übergeben werden, bot Raghu ihm stattdessen seinen eigenen Körper als Nahrung an. Das ist die Art und Weise gemäß dem Status zu leben, der einem zugeteilt wurde.

Wenn ihr in den Status erhoben werdet, Amrit zu erhalten, dann müsst ihr Böses meiden und im Glauben verankert sein. Ich habe nicht die Absicht, an diesem Tag von Vaikuntha Ekādashī Amrit zu erschaffen und auszuteilen, denn niemand geht den Pfad, den ich entworfen habe, niemand fühlt sich an den Rat gebunden, den ich gebe. Euer Enthusiasmus ist kurzlebig und euer Entschluss, meinen Anweisungen zu folgen, löst sich schnell in Luft auf. So wie die Milch beim Kochen aufsteigt, überfließt und sich setzt, so entwickelt sich eure Hingabe und stirbt schnell wieder ab. Sie bleibt nicht unerschütterlich.

Heute wird in bestimmten Vishnutempeln eine besondere Tür, Vaikunthadvāra genannt, geöffnet, und die Menschen können durch sie in die Präsenz schreiten. Vaikunthadvāra ist das Tor zum Himmel, anders ausgedrückt, das Tor zur Selbstverwirklichung. Das Tor zum Himmel ist nicht nur dort zu finden; es wird sich unmittelbar vor euch auftun, wo ihr auch seid. Klopft an, und es wird sich öffnen.

Füllt euer Herz mit Mitgefühl für die Notleidenden

Vishnu bedeutet Sarvavyāpti, er, der überall ist. Also muss sein Wohnsitz Vaikuntha überall sein. Ihr könnt Zutritt erlangen, wenn ihr mit dem korrekten Passwort auf euren Lippen anklopft. Euer Herz kann zu Vaikuntha werden, wenn ihr es nur reinigt und läutert und zulasst, dass Gott sich in ihm manifestiert. Vaikuntha bedeutet „der Platz, wo kein Hauch von Leid ist“. Wenn Gott sich in eurem Herzen manifestiert, ist alles vollkommen und frei.

Die Kuh verwandelt Gras und Getreide in süße, stärkende Milch und gibt sie in Fülle ihrem Herrn. Entwickelt diese Qualität, die Kraft, die Nahrung, die ihr zu euch nehmt, in süße Gedanken, Worte und Taten des Mitgefühls für alle zu verwandeln. Krishna weinte als Kind um die Erlaubnis, gemeinsam mit den Kühen auf die Weiden zu gehen. Yashoda sagte: „Mein liebes Kind, deine winzigen zarten Fußsohlen sind nicht imstande, auf diesen dornigen Pfaden voller Geröll zu gehen. Ich werde hübsche Sandalen für dich besorgen. Wenn sie fertig sind, kannst du losziehen.“ Aber Krishna stammelte als Antwort: „Die Kühe, denen wir dienen, sind nicht beschuht. Warum sollten dann wir, die ihre Diener sind, die Dornen und Steine vermeiden, denen sie nicht ausweichen können?“ Kein Wunder, dass die Kühe und Kälber von Gokul zur Unbeweglichkeit erstarrten und weinten, als Krishna nach Mathura wegging!

Wenn euer Herz mit Mitgefühl für die Leidenden gefüllt ist, dann wird der Herr seine Gnade ausgießen. Draupadi hatte durch ihre Hingabe und ihre Tugenden die Gnade verdient. Auch Sita hielt trotz ihrer schweren Leiden am höchsten Ideal des Lebens fest. Als Hanuman sie in dem Hain entdeckte, wo sie von ihrem Entführer gefangen gehalten wurde, bot er an, sie auf seine Schultern zu nehmen, wieder das Meer zu überqueren und sie sicher zu ihrem Herrn, Rama, zu bringen. Sie antwortete jedoch, sie würde nicht gestatten, auf diese Weise aus der Gefangenschaft Ravanas befreit zu werden, denn das würde Rama die Gelegenheit nehmen, Ravana für sein Verbrechen zu bestrafen und sie durch sein eigenes Heldentum zurückzugewinnen. Welch herausragende Worte! Ganz in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Dharma. Kein Wunder, dass die Gnade des Herrn sie rechtzeitig rettete. Ohne Stetigkeit und tiefen Glauben könnt ihr keine Gnade erhalten.

Diese Warnung selbst ist heute euer Amrit; denn barsche Worte rufen Bitterkeit hervor. Macht euch daran, Gnade zu verdienen, indem ihr die Disziplin einhaltet, die mir so wichtig ist, dass ihr sie befolgt. Gebt die alten weltlichen Wege auf, die Wege des Verdienens und Ausgebens, des Sparens und Ansammelns motiviert durch Gier, Lust, Bosheit und Stolz. Ordnet euer Leben neu, so dass ich Freude an euch finde.

– Auszüge aus Bhagavans Ansprache in Prashanti Nilayam am 11. Januar 1968.

Quelle: Sanathana Sarathi February 2022

© Sri Sathya Sai Sadhana Trust Sadhana Trust – Publications Division, Prasanthi Nilayam

Der Blick nach oben zur Unsterblichkeit – Der Avatar spricht