Sanathana Sarathi 12/2021

Kunti Devi nahm den Weg, den Shyamsundara genommen hatte. Zurück blieb der leblose Körper. Arjuna weinte laut: „Bruder! Was soll ich sagen? Wir haben unsere Mutter verloren.“ Dharmaraja, der daneben stand, war von dem Schock schwer erschüttert; er trat auf den Körper zu und als er das Gesicht erblichen fand, blieb er wie versteinert stehen.

Die Dienerinnen vor der Tür hörten die Worte Arjunas und spähten in den Raum. Der Körper von Kunti Devi lag auf dem Boden; Arjuna hatte ihren Kopf auf dem Schoß und betrachtete das Gesicht mit tränenverschleierten Augen. Die Dienerinnen des Palastes gaben die Nachricht untereinander weiter. Sie traten ein und erkannten, dass die Königinmutter sie endgültig verlassen hatte. Sie beweinten laut das herzzerreißende Unglück.

Währenddessen erreichte die Nachricht die Königinnen in den inneren Gemächern. In Windeseile verbreitete sich die traurige Nachricht in ganz Hastinapura. Die Königinnen taumelten gramgebeugt herein und schlugen sich vor Schmerz an die Brust. In einem endlosen Trauerzug strömten die Bewohner des Palastes in die Wohnung. Bhima, Nakula, Sahadeva und die Minister wurden von ihrem Kummer überwältigt.

Die Luft war erfüllt von unbeschreiblicher Qual. Niemand konnte glauben, dass Kunti Devi, die noch vor wenigen Minuten so sehnsüchtig auf ihren Sohn Arjuna gewartet hatte, um die Nachrichten zu hören, die er aus Dvaraka mitbrachte, so schnell aus dem Leben geschieden sein könnte. Diejenigen, die kamen und es sahen, standen stumm und regungslos da. Das Wehklagen der Dienerinnen, das Stöhnen der Königinnen und das Leid der Söhne brachten selbst das härteste Herz zum Schmelzen.

Dharmaraja tröstete alle und flößte ihnen etwas Mut ein. Er sagte ihnen, sie sollten sich nicht dem Kummer hingeben. Er weinte nicht, sondern ging mutig umher, leitete alle an und verlieh ihnen Kraft und Stärke. Alle staunten über seine Selbstbeherrschung. Die Minister traten an ihn heran und sagten: „Oh König, deine unerschütterliche Haltung erfüllt uns mit Bewunderung. Du hast deine Mutter verehrt und sie wie den Atem deines Lebens behandelt. Wie kommt es, dass dein Herz ihren Tod so gelassen hinnimmt?“ Dharmaraja lächelte über ihre Fragen und ihre Besorgnis. „Minister, ich bin von Neid erfüllt, wenn ich an ihren Tod denke. Sie hat wirklich großes Glück gehabt. Die Welt fiel von ihr ab, als sie die Nachricht erhielt, dass Krishna zu seiner himmlischen Heimat weitergezogen ist. Sie folgte ihm sofort, denn sie konnte den Schmerz der Trennung von ihm nicht ertragen. Wir sind sehr unglücklich. Wir waren ihm so nahe und haben so viel Glückseligkeit von ihm erhalten. Wir hörten von seinem Weggang, aber wir sind noch am Leben! Hätten wir wirklich soviel Hingabe, wie wir behaupten, hätten wir wie sie den Körper fallen lassen müssen, als wir von diesem Verlust hörten. Schande über uns! Wir sind nur eine Last für die Erde. All unsere Jahre sind vergeudet.“

Als die Bürger und andere erfuhren, dass Kunti Devi gestorben war, sobald sie die Nachricht von Krishnas Weggang aus der Welt gehört hatte, weinten sie noch lauter, denn das Leid über den Verlust Krishnas war weit größer als der Kummer über den Verlust der Königinmutter. Viele benahmen sich, als wären sie plötzlich wahnsinnig geworden. Viele schlugen den Köpfe an die Wand ihres Hauses, unglücklich und verloren.

Es war, als hätte man Benzin ins Feuer gegossen. In dieser Flut unerträglicher Ängste, die durch den doppelten Verlust entstanden waren, war Dharmaraja die einzige ruhige Seele. Er tröstete die Königinnen und sprach sanft und beruhigend zu einer jeder. Er sagte ihnen, dass es keinen Sinn habe, den Verlust der Mutter oder den Weggang des Herrn zu beklagen. Sie waren beide den ihnen bestimmten Weg gegangen. „Uns bleibt jetzt nur noch, unser Schicksal durch geeignete Schritte zu erfüllen“, sagte er.

Dann rief DharmarajaArjuna zu sich und sagte: „Arjuna, lieber Bruder, lass uns nicht weiter zögern. Die Bestattungsriten für Mutter müssen sofort beginnen und wir müssen Parikshit zum Kaiser krönen lassen. Wir müssen Hastinapura noch diese Nacht verlassen. Jeder Augenblick erscheint mir wie eine Ewigkeit.“Dharmaraja war von äußerster Gelassenheit erfüllt, doch Arjuna war von noch größerer Entsagung erfüllt. Er hob den Kopf der Mutter von seinem Schoß und legte ihn auf den Boden. Er befahl Nakula und Sahadeva, Vorbereitungen für die Krönung Parikshits zu treffen. Auch den Ministern, Offizieren und Beamten gab er Anweisungen zu den Vorbereitungen, die angesichts der Entscheidung des Königs und der Prinzen getroffen werden mussten. Er war in der Tat sehr beschäftigt. Bhima übernahm unterdessen die Vorbereitungen für das Begräbnis der Mutter.

Die Minister, Bürger, Priester und Gurus waren voller Staunen, Bewunderung und Traurigkeit über die seltsamen Entwicklungen und Vorfälle im Palast. Sie wurden von Schmerz und Verzweiflung erfüllt, aber sie mussten das alles für sich behalten. Auch sie wurden von dem starken Wunsch nach Entsagung erfasst. Voller Verwunderung riefen sie aus: „Ah, sein Onkel und seine Tante väterlicherseits haben den Palast ganz plötzlich verlassen. Die Nachricht von Krishnas Abreise traf ihn wie ein Donnerschlag, da er durch dieses Unglück bereits verwirrt war. Bald darauf verstarb die Mutter. Noch bevor der Leichnam von der Stelle entfernt wurde, an der sie gefallen war, bereitet sich Dharmaraja auf die Krönung vor. Und er plant, alles aufzugeben – Macht, Reichtum, Status, Autorität – und mit all seinen Brüdern in den Wald zu ziehen! Nur diese Pandavas können solch einen festen Mut und Verzicht haben. Niemand sonst ist zu dieser Kühnheit fähig.“

Innerhalb weniger Minuten waren die Beerdigungsriten vollzogen und dann wurden die Brahmanen hinzugezogen. Dharmaraja beschloss, die Krönungszeremonie in ganz einfachem Stil abzuhalten. Die untergeordneten Herrscher und tributpflichtigen Könige sollten nicht eingeladen werden, und auch die Bürger und Verwandten in Indraprastha konnten keine Einladung erhalten.

Natürlich war eine Krönung in der Bharata-Dynastie, das Einsetzen eines Herrschers auf den heiligen Löwenthron dieses Geschlechts, in der Regel eine große Angelegenheit. Das Datum wird Monate im Voraus festgelegt, der glückverheißende Zeitpunkt mit großer Sorgfalt gewählt, und es folgen aufwendige Vorbereitungen von großem Ausmaß. Doch jetzt wurde alles in wenigen Minuten mit dem Material, das zur Verfügung stand, und den Menschen, die gerade zur Hand waren, vorbereitet. Parikshit erhielt ein zeremonielles Bad, die Kronjuwelen wurden ihm umgehängt, und er wurde von den Brahmanen und den Ministern zum Thron geleitet. Er wurde auf den Thron gesetzt, und während Dharmaraja ihm mit seinen eigenen Händen das diamantenbesetzte Diadem auf den Kopf setzte, weinten alle im Saal vor Verzweiflung. Die kaiserliche Autorität, die unter dem freudigen Beifall des Volkes übernommen werden sollte, wurde dem Jungen unter Stöhnen und Schluchzen auferlegt.

Parikshit, der neu gekrönte Kaiser, weinte. Selbst Dharmaraja, der ihn krönte, konnte seine Tränen nicht zurückhalten, obwohl er sich alle Mühe gab. Die Herzen aller Zuschauer wurden von quälendem Kummer zerrissen. Wer kann die Kraft des Schicksals aufhalten? Das Schicksal führt jede Tat aus, zu der Zeit, an dem Ort und auf die Art und Weise, wie sie ausgeführt werden muss. Der Mensch ist nichts vor ihm, er ist hilflos.

Parikshit war ein wohlerzogener, tugendhafter Junge. Er sah die Traurigkeit, die sich auf jedem Gesicht zeigte und beobachtete die Ereignisse und Geschehnisse im Palast. Er setzte sich auf den Thron, da er der Meinung war, er dürfe sich dem Befehl der Ältesten nicht widersetzen. Doch plötzlich fiel er Dharmaraja zu Füßen und flehte kläglich: „Mein Herr! Was auch immer du wünschst, ich werde es in Ehren halten und gehorchen. Aber bitte lasst mich nicht im Stich, lasst mich nicht allein.“ Er hielt Dharmarajas Füße fest und hörte nicht auf zu weinen und zu flehen. Alle, die die tragische Szene sahen, weinten, selbst die Härtesten konnten nicht anders als weinen. Es war furchtbar.

Parikshit fiel auch vor seinem Großvater Arjuna nieder und klagte jämmerlich. „Großvater! Wie könnt Ihr mit Frieden im Herzen von hier fortgehen, nachdem Ihr mir diese schwere Last des Reiches auferlegt habt? Ich bin ein Kind, das nichts weiß; ich bin sehr töricht und unwissend. Ich habe keine Fähigkeiten. Ich bin ungeeignet. Es ist nicht gerecht, es ist nicht richtig, dass Ihr dieses Reich, das in der Obhut einer langen Reihe von Helden, Staatsmännern, Kriegern und Weisen war, mir aufbürdet und Euch selbst in den Wald zurückzieht. Lasst jemand anderen diese Verantwortung tragen. Nehmt auch mich mit in den Wald“, flehte er.

Quelle: Sanathana Sarathi December 2021

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Bhagavata Vahini, Kapitel 13 – Die Krönung von Parikshit