Sanathana Sarathi 10/2021 Sri Sathya Sai Baba, 5. Oktober 1992

Heutzutage erkennen die meisten Intellektuellen nicht die Vorherrschaft des Unterscheidungs-vermögens (buddhi), sie verlassen sich nur auf ihre Intelligenz und ignorieren so ihre innewohnende Göttlichkeit. Buddhi ist das göttliche Element im Menschen, das immer strahlt und leuchtet. Die Gita verkündet: Buddhi transzendiert die Sinne.Buddhi steht mit dem Göttlichen in Verbindung. Was heute für den Intellekt gehalten wird, ist völlig vom Göttlichen abgetrennt und nicht Buddhi im wahren Sinne“, sagte Bhagavan in seiner Ansprache am 5. Oktober 1992.

(Buddhi bedeutet u.a. Unterscheidungsvermögen, Urteilskraft, höhere Intelligenz. Für den Begrifffindet sich keine deckungsgleiche Übersetzung im Englischen oder Deutschen. Es wird im Englischen meist mit intellect übersetzt, ist aber verschieden von dem was wir normalerweise unter Intellekt verstehen, Anm. d. Ü.).

Das wahre Wesen von Buddhi ist göttlich

Die Gita verkündet, dass man immerwährende Glückseligkeit durch den Intellekt (buddhi), der die Sinne transzendiert, erhalten kann. Glück kann nicht aus den Sinnen bezogen werden. Sinnliche Freuden sind trügerisch und vergänglich. Das wahre Glück ist dauerhaft und wirklich. Der Mensch kann dies nur durch Buddhi erkennen. Aufrichtigkeit und Beständigkeit sind die Kennzeichen dieses Intellekts.

Alle Freuden, die der Mensch normalerweise im Leben genießt, stehen mit den Sinnen in Verbindung. Sinnliche Freuden (vishayasukha) sind in Wirklichkeit Gift (visha), sie sind nicht die nektargleiche Glückseligkeit (amritasukha). Diese Sinnesfreuden führen den Menschen in Bindung und bringen ihn nicht auf eine höhere Ebene. Alle Freuden die der Mensch genießt basieren auf den Sinnen und haben keinerlei Verbindung mit dem Intellekt.

Der Mensch sollte die Glückseligkeit suchen, die wahr und ewig ist, und das kann nur durch den Buddhi geschehen. Die Taittirīya Upanischad erläutert detailliert das Wesen des Buddhi. Sievergleicht Buddhi mit einem Vogel. Der Kopf dieses Vogels ist Glaube und Vertrauen (shraddhā), und Wahrheit (satyam) und kosmisches Gesetz (rita) sind seine zwei Schwingen. Yoga ist sein Schwanz und der Körper ist das höchste Prinzip (mahattattva). Diese fünf:Shraddhā, Satya, Rita, Yoga und MahatTattva sind Bestandteile von Buddhi.

Unter diesen stehtGlaube und Vertrauen (shraddhā) an erster Stelle. OhneVertrauenkann der Mensch keine Tätigkeit vollbringen. All seine täglichen Aktivitäten beruhen auf Vertrauen. Jemand mit stetigem Glauben erlangt Weisheit, verkündet die Gita. Darüber hinaus hat die Gita verkündet, dass Shraddhā wie auch Buddhi Manifestationen des Herrn sind. Buddhi sollte deshalb nicht als ein herkömmlicher Aspekt des Menschen angesehen werden. Buddhi ist mit Vertrauen (shraddhā), Wahrheit (satya), kosmischem Gesetz (rita), Yoga und dem höchsten Prinzip (mahattattva) verbunden. Den mit diesen fünf bedeutenden Aspekten verbundenenBuddhi, nur als ein gewöhnliches Merkmal im Menschen einzuschätzen,ist die Folge einer weltlichen Sichtwiese.

Die Vorherrschaft von Buddhi über Klugheit

Buddhi sollte nicht mit geistiger Gewandheit oder Klugheit gleichgesetzt werden. König Vikramaditya verkündete in einer Versammlung von Gelehrten, die er zur Erörterung dieses Themas einberufen hatte, die Vorherrschaft von Buddhi über Klugheit (medhāshakti). Ohne Buddhi und seine fünf wichtigen Verbündeten sind alle geistigen Fähigkeiten nutzlos, gleich einer Frucht ohne Saft, einem Baum ohne Früchte, einem Tempel ohne Lampe oder einer Münze, die gefälscht ist. Heutzutage erkennen die meisten Intellektuellen nicht die Vorherrschaft des Unterscheidungsvermögens (buddhi), sie verlassen sich nur auf ihre Intelligenz und ignorieren so ihre innewohnende Göttlichkeit. Buddhi ist das göttliche Element im Menschen, das immer strahlt und leuchtet. Die Gita verkündet: Buddhi transzendiert die Sinne. Buddhi steht mit dem Göttlichen in Verbindung. Was heute für den Intellekt gehalten wird ist völlig vom Göttlichen abgetrennt und nicht Buddhi im wahren Sinn. Dieser Intellekt hat nur eine begrenzte Kapazität und seine Motivation ist Eigeninteresse. So wird das Unterscheidungsvermögen des Buddhi vom Menschen für selbstsüchtige Zwecke genutzt. All seine Handlungen beruhen auf Eigeninteresse (svārtha) und nicht darauf, anderen Gutes zu tun (parārtha). Handlungen, die frei von Eigeninteresse sind, führen zur Befreiung (tāraka). Handlungen, die auf Eigeninteresse beruhen, führen zum Tod (māraka). Man sollte den Unterschied zwischen beiden richtig verstehen. Alle Handlungen, die im Geiste des Atman (ātmabhāva) ausgeführt werden, führen zur Befreiung. Alle weltlichen Handlungen sind selbstzerstörerisch.

Der Sinn der Rezitation von Mantras

In alten Zeiten pflegten viele Menschen, die sich an Tradition und Sitten hielten, vor dem Essen Mantras zu rezitieren. AnnamBrahmā – Nahrung ist Brahma; RasoVishnuh – die Essenz der Nahrung ist Vishnu; BhoktāDevoMaheshvarah – der die Nahrung zu sich nimmt ist Shiva. Erst nachdem sie diese Mantras rezitiert hatten, begannen sie zu essen. Der Sinn dieses Mantras ist folgendermaßen: „Möge die Nahrung die wir zu uns nehmen in den Lebenssaft verwandelt werden, der in jedem Teil des Körpers zirkuliert und dem Körper alle Kräfte gibt! Möge sie unserem Geist die Fähigkeit verleihen, diese Kräfte auf rechte Weise zu nutzen! Möge sie unsere Worte läutern, so dass sie in Übereinstimmung mit unserer geistigen Natur sind.“

Der grobstoffliche Bestandteil der Nahrung, die wir zu uns nehmen, ist für die Bedürfnisse des grobstofflichen Körpers gedacht. Der subtile Bestandteil der Nahrung gelangt zum Geist (mind). Das subtilste Element wird Bestandteil unserer Worte (vāk). Auf diese Weise steht Buddhi mit den Aktivitäten des Körpers, seiner Organe und des Geistes in Verbindung. Diese drei werden durch Brahma, Vishnu und Shiva repräsentiert. Die Lebensenergie (prāna) ist mit Brahma verbunden; der Geist (mind) ist mit Vishnu verbunden und das Sprechen (vāk) mit Shiva. Man sollte diese drei Fähigkeiten nicht vergeuden. Man sollte sie auf rechte Weise nutzen. Die Kraft des Sprechens sollte dazu genutzt werden, die Wahrheit zu sprechen. Der Geist sollte auf heilige Wege gelenkt werden. Der Körper, der dem Menschen gegeben wurde, sollte dafür eingesetzt werden, Rechtschaffenheit zu erreichen. Der Körper ist dazu gegeben, rechtschaffen zu handeln. Auf diese Weise sind Geist, Sprache und Körper Manifestationen von Brahma,Vishnu und Shiva.

Wahrheit (satyam) und kosmische Ordnung (rita) sind für den Menschen lebenswichtig

Wenn die Menschen heutzutage sinnlose und unlautereHandlungenbegehen, bedeutet dies, dass sie ihre göttlichen Gaben verschwenden. Ehe man eine Handlung durchführt, sollte man folgendes Gebet sprechen: „Mögen meine Handlungen heilig sein; mögen meine Worte hilfreich für andere sein und niemandem Schmerz bereiten. Mögen all meine Gedanken heilig, göttlich und sinnvoll sein.“ Die Herrscher und das Volk pflegten in alten Zeiten ihr Leben durch solche andachtsvollen Handlungen zu heiligen.

Zwei Dinge sind für den Menschen lebenswichtig: Wahrheit (satya) und die Einheit von Gedanke, Wort und Tat (rita). Den meisten Menschen fehlt heutzutage diese Einheit; ein Grund liegt darin, dass die Leute zugelassen haben, dass ihr Intellekt verschmutzt wird. Es verhält sich wie mit einer Lampe, deren Schirm innen vom Ruß der Flamme und außen von Staub bedeckt ist. Das Licht der Lampe kann erst dann erstrahlen, wenn der Ruß imInneren und der Staub außen beseitigt werden. Was Buddhi betrifft, kommt der Ruß vom Ego (ahamkāra) und der Staub von der Anhaftung (mamakāra). Beide schwächen das Licht des Intellekts. Sie müssen entfernt werden, damit Buddhi sein Licht voll verbreiten kann.

Die Auswirkung von Ego und Anhaftung

Es gibt eine Episode aus dem Leben Adishankaracaryas, die veranschaulicht, wie Ego und Anhaftung sogar jene erfassen, die sich für Entsagende halten. Ubhayabharati, die Ehefrau des großen Gelehrten Mandana Mishra, nahm in einer Debatte zwischen Shankaracarya und Mandana Mishra die Rolle des Schiedsrichters ein. In dieser Debatte erklärte UbhayabharatiShankaracarya zum Sieger. Mandana Mishraentsagte daraufhin dem Familienleben und wurde Mönch (entsprechend der Abmachung vor der Debatte). Dann forderte UbhayabharatiShankaracarya auf, sie ebenfalls in einer Debatte zu besiegen, da sie die eine Hälfte ihres Ehemanns wäre. Sie verlor die Debatte und schlug ebenfalls den Weg der Entsagung (sannyasin) ein.

Eines Tages erblickteUbhayabharati einen Wandermönch (Sadhu), der sein Trinkwassergefäß als Kopfstütze benutzte, während er am Boden lag und meditierte. Sie sagte zu ihren Schülern: „Schaut euch diesen Sadhu an! Er behauptet, er habe alles aufgegeben, hängt aber so an seinem Trinkgefäß, dass er es sichert, indem er es unter seinen Kopf legt, damit niemand es wegnimmt. Kann man das Entsagung nennen?“ Als der Mönch ihre Worte hörte, warf er das Gefäß weg. Als Ubhayabharati und ihre Anhänger vom Ganges zurückkamen, bemerkte sie was der Mönch getan hatte und stellte fest: „Bisher dachte ich, der Mönch habe nur einen Fehler, und zwar Anhaftung; jetzt entdecke ich, dass er noch dazu Zorn in sich trägt, der aus dem Ego kommt. Aus Wut über meine Worte warf er das Gefäß weg. Anhaftung wie Zorn, beide sind Feinde von Askese.“ Als der Mönch diese Worte vernahm, fiel er ihr zu Füßen und erklärte, siesei sein spiritueller Lehrer.

Die Absicht hinter der Verehrung Devis

Jeder Mensch, der das Göttliche erfahren will, sollte sich bemühen, die Mängel zu beseitigen, die den Buddhi beeinträchtigen, indem er sich von Egoismus und Anhaftung befreit. Ist das Ego erst einmal beseitigt, dann fällt es auch leicht, die Anhaftung aufzugeben.

Das Ego beeinträchtigt einen auf verschiedene Weise. So führt es bei Leuten in verschiedenen Berufszweigen dazu, dass sie zu Prunk und Übertreibung greifen, um ihre Klienten zu beeindrucken. Egoismus ist eine dämonische Eigenschaft. Devi ist als die Zerstörerin der Dämonen beschrieben worden. Die Verehrung Devis dient dem Zweck, die dämonischen Anteile im Menschen zu zerstören.

Arjuna fühlte sich am neunten Tag des Mahabharata Krieges entmutigt, als er mitansah, wie Krishna überall blutete, während er Arjuna vor Bhishmas Pfeilgeschossenrettete. Krishna sprang vom Wagen, ging auf Bhishma zu und verkündete, dass er selber Bhishma töten würde. Bhishma war so verzaubert von der Schönheit des Herrn, dass er erklärte: „Wenn Sri Krishna zu mir kommt um mich zu töten, dann lass denselben Krishna mein Erlöser sein!“ Heutzutage verhalten die Devotees sich anders. Wenn sie den Glauben an eine Gottheit verlieren, dann suchen sie bei einer anderen Gottheit Segnungen. Aber in Wirklichkeit gibt es nur einen Gott. Gott ist Einer allein, unabhängig von Namen und Formen.

Durga repräsentiert Mutter Natur (prakritimātā). Man muss die Kraft der Natur anrufen, um die dämonischen Eigenschaften, die durch den Einfluss der Natur entstehen, zu überwinden. Das ist die Bedeutung der Verehrung von Durga. Die Natur ist der Beschützer wie auch der Bestrafer. Lakshmi repräsentiert den beschützenden Aspekt der Natur. Wenn Durga die dämonischen Eigenschaften zerstört hat, dann reinigt Lakshmi Geist und Gemüt (mind). Das wiederum führt zur Reinheit des Wortes und der Sprache, repräsentiert durch Saraswati. Die Verehrung von Durga, Lakshmi und Saraswati wird auf diese Weise durchgeführt, um sich von geistigen Unreinheiten zu befreien und die eigenen Gedanken, Worte und Taten zu läutern.

Die Natur ist die Verkörperung des Göttlichen. Der Mensch nimmt die Natur wahr und erfährt sie, ist aber nicht in der Lage, das Göttliche in der Natur zu erkennen. Die äußeren Manifestationen des Göttlichen zu sehen und dennoch unfähig zu sein, das Göttliche zu erkennen, ist ein Zeichen von Unwissenheit.

Der Mensch sieht die Natur in Gestalt des Universums, das Gottes kosmische Form (virātsvarūpa) ist. Hat der Herr eine spezielle Gestalt oder einen spezifischen Wohnsitz? Nein. Er ist überall. Er ist du und du bist er. In dem Moment wo du das erkennst, wirst du Gott erfassen. Wenn ihr das Göttliche in euch selbst schauen wollt, dann müsst ihr euer Unterscheidungsvermögen (buddhi) anwenden, gerade so wie ihr einen Spiegel braucht,um eure Augen zu sehen, die alles andere in der Welt als sich selbst sehen. Es ist töricht, das Göttliche irgendwo sonst zu suchen. Gott ist euch näher als eure eigene Mutter. Mit einem reinen Herzen könnt ihr das Göttliche in euch erfahren, und zwar durch euren Intellekt (buddhi). Liebe ist das Mittel, um diese Erfahrung zu erlangen, denn Liebe ist Gott.

Quelle: Sanathana Sarathi October 2021

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Bhagavans Ansprache an Dasara: Der Sinn und das Ziel der Verehrung von Devi